Ja, das ging mir die letzten Wochen sehr oft durch den Kopf. Aber warum überhaupt?

Nun, ganz einfach: Ich bin ja seit 4 Jahren Gemeinderat in Schwäbisch Hall. Hier ist seit 1,5 Jahren die Stimmung in der Stadt bzw. in der öffentlichen Wahrnehmung (Berichte und Leserbriefe) ziemlich vergiftet. Der Ursprung des Ganzen liegt in einem Verkauf einer Immobilie der städtischen Grundstücksgesellschaft an die ehemalige Ehefrau unseres Oberbürgermeisters. Das möchte ich nicht mehr weiter ausführen, nur, dass die im Nachgang festgestellte Befangenheit des OB damals sehr viel Vertrauen zwischen Gemeinderat, Bürgerschaft und Oberbürgermeister zerstört hat, bei einigen wohl unwiderruflich. Zu denen gehöre ich nicht, weil ich immer an das Gute im Menschen glaube und bei mir normal jede(r) mindestens eine weitere Chance hat, Vertrauen wieder aufzubauen.

Aktuell gab es jetzt im Februar eine Reise einer Delegation im Rahmen einer Klimapartnerschaft mit der Stadt Okahandja in Namibia. Unser OB nahm daran gemeinsam mit unserem Klimabeauftragten teil. Seine Lebensgefährtin und ihr Sohn waren auch dabei, da es in den Faschingsferien war. Nun gab es im Nachhinein verschiedene Ansichten, wer was zu bezahlen hat und was man als Einladung annehmen darf und was nicht.  Dafür gibt es die Vorgaben der Gemeindeprüfungsanstalt.

Nun hat aber die Lokalzeitung das Ganze nach einem anonymen (!) Hinweis aus dem Gemeinderat nochmals aufgegriffen, weil die letzten 3 Übernachtungen der Reise des OB mit Partnerin und Sohn in einer Lodge auf Einladung der von der Stadt Schwäbisch Hall unterstützten Waldorfschule Windhoek in Namibia stattgefunden haben. Privat war in diesen 3 Tagen laut den uns Gemeinderäten vorliegenden Unterlagen lediglich ein 3-stündiger Game Drive (früher nannte man das noch Safari), welcher auch privat bezahlt wurde.

Die Lodge sei eine Luxus-Lodge, wird moniert, und deshalb wäre das die Annahme eines geldwerten Vorteils durch einen Beamten. Nachdem wir Gemeinderäte das komplette Reiseprogramm vorgelegt bekommen haben, habe ich selbst gegoogelt, was denn die Lodge kostet: das Zimmer für 3 Personen 140€/Nacht. Das halte ich nicht für überzogen, oder? In der Zeitung stand 400€ pro Nacht, weil man wahrscheinlich Preis pro Zimmer und Nacht mit Preis pro Person verwechselt hat. Darum war das ganze für mich dann auch erledigt, weil alles schlüssig dargelegt und am Ende auch ohne Schaden für die Stadt abgerechnet wurde.

 

Nun kocht aber aufgrund der Berichterstattung in der Lokalzeitung darüber und der (zu?) zögerlichen Abrechnung alles wieder hoch, was an Emotionen seit 2016 unterschwellig da ist.

Die Beiträge bzw. vor allem die Kommentare zur Lokalpolitik in den (a)sozialen Medien lese ich schon gar nicht mehr, weil sich hier in der Anonymität ja wirklich jeder auskotzen kann. Das mag arrogant klingen, ist aber purer Selbstschutz für ein Sensibelchen wie mich!

Aber auch manche(r) Leserbriefschreiber(in) langt schon mal richtig hin, nun eben auch gegen das Gremium Gemeinderat: “Pelgrimscher Abnickverein”, “weitgehend domestizierter Stadtrat”, “Marionetten” usw. sind so die netten Bezeichnungen, die man sich als demokratisch gewählter Mandatsträger anhören bzw. lesen darf. Viele sagen, das gehört halt dazu, wenn man sich wählen lässt.

Das hier mal als Sinnbild, was so in den Leserbriefen steht: Wir Gemeinderäte als Marionetten des Oberbürgermeisters!

Diejenigen, die sich im Gremium immer GEGEN den OB stellen, bekommen gute Presse, sind praktisch die Robin Hoods im Gemeinderat, der Rest sind Schweiger oder Abnicker.

Wirklich?? Muss ich mir das gefallen lassen?

Ich bin der Meinung NEIN! Wir haben zum Glück in Deutschland das Recht der freien Meinungsäußerung, darum steht das  jeder Bürgerin / jedem Bürger zu. Aber etwas Anstand haben zumindest meine Eltern mir mitgegeben, dass man seinen Gegenüber (auch wenn der in der Zeitung oder den Sozialen Medien nur fiktiv ist) respektiert. Die Würde des Menschen ist unantastbar, steht ganz vorne in unserem Grundgesetz. Freiheit ist die Freiheit des Andersdenkenden, sagte einmal Rosa Luxemburg! Ich respektiere die Meinungen, die auch gegenüber mir sicher nicht immer positiv sind. Aber ich erwarte, dass man sich fair äußert, trotzdem gerne hart in der Sache. So versuche ich es zumindest zu handhaben.

Nur weil sich nicht jede(r) der 36 GemeinderätInnen zu jedem Thema persönlich äußert, heißt das nicht, dass man nur abnickt! Ich behaupte, dass sich jede(r) seine/ihre Gedanken macht und dass das eben meist innerhalb der Fraktionen vorher besprochen wird. Bei uns gibt es keinen Fraktionszwang, so dass man am Ende des Tages so abstimmen darf, wie man es selbst vertreten kann. Das ist auch die Pflicht jedes Einzelnen! Aber wenn jeder seine Meinung zu jedem Thema äußern würde, dann dauern die Sitzungen nicht mehr nur 4 Stunden, sondern doppelt so lang! Manche GemeinderätInnen meinen das aber trotzdem machen zu müssen. Muss man wohl akzeptieren, auch wenn es manchmal extrem anstrengend ist. Unterschiedliche Meinungen sind wichtig und tragen zur Entscheidungsfindung bei, aber man muss dann auch Entscheidungen mittragen, die demokratisch getroffen wurden. So versuche ich es zumindest zu handhaben.

Nur mal so zum Zeitaufwand, den ich und sicher auch die meisten anderen kommunalen Vertreter so dafür mindestens aufopfern. Außerhalb der Ferien ist mindestens 1 Sitzung pro Woche:

  • 1x Ausschusssitzung: ca. 3h
  • 1x Fraktionssitzung: ca. 3h
  • 1 Gemeinderat: mittlerweile selten unter 4 Stunden
  • dazu die jeweilige Vorbereitung: mindestens 1-2 Stunden pro Sitzung.
  • Dazu kommt bei mir noch der Ortschaftsrat mit ca. 3h inkl. Vorbereitung.

Macht also pro Woche ca. 5-6h nur für dieses Ehrenamt (ja, das ist es nach wie vor!). Mal als Beispiel: Sitzung am 4.7.18 begann um 16 Uhr wegen wichtiger Personalien. An dem Tag haben wir unser Stroh für die Pferde vorher eingebracht, um 15 Uhr bin ich vom Traktor runter, unter die Dusche und dann nach Hall zur Gemeinderatssitzung. Sie dauerte bis nach 22 Uhr, und während der Diskussionen unter anderem zur Namibia-Reise fragte ich mich dann schon öfter, ob hier einige nichts anderes zu tun haben?! Endlose Wiederholungen von Argumenten, Vorwürfen, usw., frei nach dem Motto: “Es wurde schon alles gesagt, nur nicht von mir!”

Für mich ging es am nächsten Tag um 6 Uhr weiter, für einige andere auch. Das sind so Momente, in denen ich wirklich und ernsthaft zweifle, erneut zu kandidieren, weil mir für so etwas die Zeit zu schade ist. Ich möchte die Zukunft der Stadt mitgestalten, aber ich will nicht noch das kleinste Haar in der Suppe finden oder suchen, wo man der Verwaltungsspitze noch eins reindrücken kann! Das ist nicht meine Auffassung von Kommunalpolitik. Kritik ja, aber konstruktiv und nie persönlich! Da sitzen Menschen am Tisch!

So ist manchmal der Eindruck in den Gemeinderatssitzungen!

Da ich ja immer noch zu den “Neulingen” gehöre (1. Amtsperiode), nehme ich mich gerne zurück, weil es auch so meine Art ist. Das heißt dann aber auch, dass man in der Öffentlichkeit nicht bzw. kaum wahrgenommen wird (Abnicker?!). Das müsste ich dann ändern, obwohl ich eher der Freund kurzer, klarer Worte bin. Wer Presse will, muss sich ständig und ausschweifend zu Wort melden. Brauch ich nicht eigentlich. Wie seht Ihr das?

Wie kann es nun weiter gehen? – Michls Wunschgedanken!

Zum Verhältnis Presse – Gemeinderat – Oberbürgermeister: Da liegt leider ganz viel im Argen, beigetragen haben wohl alle dazu! Aber wie kann man es wieder auf eine sachliche Ebene bringen? Das wäre mir sehr wichtig, weil die aktuelle Situation und Darstellung der Gemeinderatsarbeit dafür sorgt, dass die Politikverdrossenheit noch mehr zunimmt, wir echte Probleme bekommen werden, noch Kandidaten für die Kommunalwahl zu finden und Parteien am rechten und linken Rand wohl Chancen auf den Einzug in das Kommunalparlament bekommen werden, weil “die da oben” (ich bin nicht da oben, ich bin ganz normaler Bürger der Stadt!!!) eh machen, was sie wollen und sich die Taschen füllen. So kommt es für viele rüber. Wie gesagt: die Art der Berichterstattung, wir selbst als Gremium und auch die Verwaltungsspitze sind daran mit Schuld, aber wir sollten dringend auf eine sachliche Ebene zurück kommen, weil sonst genau das passiert, was keiner wollte…

Nochmal: der OB hat Fehler gemacht, für die er sich mehr oder weniger angemessen entschuldigt hat, da kann man sicher trefflich drüber streiten. Aber ganz ehrlich: wo wäre die Stadt heute ohne ihn? Wenn ich täglich in unserer Zeitung lese, wie Gäste die Stadt heute sehen, dann haben wir etwas Wunderschönes hier. Die Lebensqualität ist extrem hoch, die Diskussionskultur auch (und das ist auch gut so!). Durch eine andere Industrie-Ansiedlungspolitik im Nachgang der Steuerkrise mit der Bausparkasse hat die Stadt heute fast wieder ähnliche Gewerbesteuereinnahmen wie damals von nur einem Steuerzahler. Auch ist Schwäbisch Hall überregional als Wohnort extrem attraktiv. Den Flächenverbrauch sehe gerade ich als Landwirt extrem kritisch, weil er direkte Auswirkungen auf das Angebot an Acker- und Grünlandflächen für uns Landwirte hat. Aber soll Schwäbisch Hall deshalb auf Wachstum verzichten? Können wir uns das wirklich leisten? Ich denke, dass wir mit unserem neuen Baubürgermeister eine sehr gute Wahl getroffen haben, wie die Stadt intelligenter, mit weniger Flächenverbrauch wachsen kann und trotzdem für Einheimische, Zugezogene und Touristen attraktiv bleibt, in allen Belangen. Aber um unsere Infrastruktur (Kindergärten, Schulen, etc.) erhalten zu können, brauchen wir weiterhin ein Wachstum bei der Einwohnerzahl bei einer immer älter werdenden Gesellschaft. Davon bin ich fest überzeugt und der selben Meinung wie unsere Verwaltungsspitze!

Lasst uns über das Wie (wir die Stadt der Zukunft gestalten) gerne streiten, aber bitte in Zukunft wieder sachlich und fair. Andere Meinungen und Ansichten zu respektieren, gehört da ganz grundsätzlich dazu. Das ist mir nicht nur als als Harmonie-bedürftigem Mensch sehr wichtig, sondern ich halte es für einen elementaren Baustein der Demokratie.

Warum Blog und nicht Leserbrief?

Ich wähle extra die Veröffentlichung hier auf meinem Blog, weil ich es hier ungekürzt wiedergeben und es jeder lesen kann, wann er will. Für einen Leserbrief ist das einfach zu lang und wenn der dann gekürzt wird, gibt es wieder Missverständnisse! Und wenn Sie bzw. Ihr mit mir darüber diskutieren wollt, stehe ich natürlich gerne zur Verfügung: persönlich, hier auf dem Blog, per Telefon, Fax oder Email (steht alles im Impressum)! Aber auch wenn ich in den sozialen Medien sehr aktiv bin, werde ich gerade dort nicht diskutieren, weil es zu unpersönlich ist.

Wie es nach der nächsten Kommunalwahl weiter geht, weiß ich selbst noch nicht. Eigentlich war schon klar, dass ich mich wieder zur Wahl stelle. Im Moment hadere ich aber sehr mit mir, ob ich es ernsthaft weiterhin machen möchte, zeitlich machen kann als Vater, Ehemann und Bauer.

So, jetzt ist es endlich raus!

Seit über 6 Wochen trage ich das jetzt mit mir rum, und jeder Leserbrief schmerzt mich, der unsere Arbeit als Gremium so herab setzt. Man kann sagen, dass ich dann zu sensibel bin für das “Geschäft Politik”. Ja, mag sein! Aber wir sind hier auf kommunaler Ebene, nicht in Stuttgart, Berlin oder Brüssel! So etwas sorgt dafür, dass man es leid wird, seine Zeit zu opfern für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Zeit, die ich nicht bei meiner Familie und nicht auf meinem Betrieb bin!

Mir hat das bisher Spaß gemacht und ich habe es sehr gern gemacht. Aber ohne eine gewisse Wertschätzung geht es nicht. Ich habe eine Familie und genug Arbeit auf dem Hof. Das ist einfach wichtiger als dieses Amt. Ich muss ja nicht Gemeinderat sein.

Jetzt bin ich auf die Reaktionen gespannt…

Euer Michl Reber