Regenerative Landwirtschaft – Innovative Landwirtschaft Reber

Unser Betrieb arbeitet schon über 30 Jahre ohne Pflug, das heißt, wir belassen die organische Substanz an der Bodenoberfläche als Erosionsschutz. Wir hatten damit sehr gute Erfolge, was insbesondere die Tragfähigkeit und die Fruchtbarkeit unserer Böden anging. Hier konnten wir zumindest mithalten mit den Erträgen der pflügenden Kollegen, tendenziell waren die Erträge eher besser, was aber nicht zwingend an der Art der Bodenbearbeitung lag.

2009 war ein Wendepunkt: in diesem Jahr hatten wir zum einen die Neueinteilung der Flächen im Rahmen der Flurneuordnung, sodass wir auf 75% der Flächen wieder bei Null anfangen mussten, was Bodenbearbeitung und Bodenfruchtbarkeit anging. Zum anderen ging in dem Jahr unsere Biogasanlage in Betrieb und wir haben aufgehört mit der Jungsauen-Vermehrung, was eine Veränderung der Fruchtfolge nach sich zog. Vorher hatten wir Gerste, Weizen, Hafer und Raps im Anbau, Nun konzentrierte sich der Anbau auf Weizen, Gerste und Mais. Insbesondere die schwere Erntetechnik beim Silomais ist für unsere empfindlichen Böden immer ein Risiko, wenn es im Herbst zu nass ist.

Ich musste feststellen, dass diese beiden Konstellationen zusammen dazu führten, dass sich die Bodenstruktur eher verschlechterte als verbesserte, selbst wenn wir die Ernte trocken rein bekamen. Auch sah ich, dass wir immer extremere Witterung bekommen. Einmal zu viel Niederschlag, dann lange Trockenphasen. Meine Böden waren zum großen Teil nicht in der Lage, in Phasen hohen Niederschlags das Wasser für die Trockenphasen zu speichern.

Es waren also zusammengefasst folgende (auch zusätzliche) Punkte, die den Ausschlag für Veränderung gaben:

  1. Zunehmende Witterungsextreme
  2. Mangelnde Fähigkeit meiner Böden, mit diesen Extremen klar zu kommen. Dadurch extreme direkte Auswirkungen auf die Erträge der angebauten Kulturen.
  3. Stagnierende Erträge bei tendenziell steigendem Aufwand.
  4. Die Biogasanlage hat die Probleme aus 2 + 3 noch verstärkt.
  5. Weiter steigende Pachtpreise in der Region werden das Betriebsergebnis in Zukunft zusätzlich verschlechtern, so dass auch ein wirtschaftlicher Druck da war und ist, die Kosten im Ackerbau zu senken.
  6. Restriktionen in der Menge und bei der Anwendung von Wirtschaftsdünger.
  7. Die öffentliche Diskussion über Landwirtschaft beobachtete ich schon damals sehr intensiv und ich sah für mich, dass wir zukünftig noch viel stärker unter Druck kommen werden, sowohl in der Tierhaltung als auch im Pflanzenbau. Das hat sich leider so bewahrheitet, eigentlich noch schlimmer als befürchtet, wie aktuell zu sehen, hören und zu lesen.
  8. Zunehmende Resistenzen bei Ungräsern und Unkräutern sowie Insekten, dagegen immer weniger Wirkstoffe, die in vernünftigen Zeiträumen neu zugelassen werden, sorgen für zusätzlichen Druck, weil viele Maßnahmen nicht mehr greifen.
  9. Altes pflanzenbauliches Wissen gerät in Vergessenheit, wir Bauern (insbesondere die männlichen inklusive mir!) sind viel zu technikgläubig und vergessen die Biologie gerne! Selbst in der Ausbildung wird Wissen über Boden und Bodenleben kaum mehr gelehrt! Gesunder Boden – gesunde Pflanzen – gesundes Tier – gesunder Mensch!

Darum habe ich schon 2011 damit begonnen, nach neuem Wissen im Bereich fruchtbare Böden zu suchen, weil ich den Eindruck hatte, dass ich mit dem klassischen Pfluglos-Ackerbau in Verbindung mit Maisanbau hier nicht mehr vorwärts komme, zumindest nicht in dem Tempo, das ich mir wünschte und das wir brauchten. Ich war schon damals der Meinung und bin es heute noch viel mehr, dass die deutliche Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit der Schlüssel für stabilere Erträge und damit zukünftigen Betriebserfolg sein wird.

Ich habe mich dann gezielt auf die Suche nach pfluglos wirtschaftenden Biobetrieben gemacht, um mich dort zu informieren, wie die Bodenaufbau machen, weil ich das konventionelle Wissen (Stand damals) eigentlich drauf hatte und ich damit am Ende meines Lateins war bzw. darin keine Lösungsansätze für meine obigen Fragen sah. Dank Internet und Google ist das verfügbare Wissen ja schier grenzenlos. Ich bin dann in Deutschland auf Sepp Braun und Friedrich Wenz gestoßen. Da Friedrich in Baden-Württemberg wohnt, war er für mich räumlich und zeitlich einfacher erreichbar. Ich bin also mal dort hin gefahren zu einem Feldtag.

Im ersten Moment war das für mich als Konventionellen schon wild anzuschauen. Aber Erträge im Biobereich von 50-70 dt/ha OHNE Wirtschaftsdünger sind erst mal eine Ansage, wenn man dazu die Deckungsbeiträge pro Hektar betrachtet! Daraufhin habe ich mich dazu entschlossen, von September 2014 bis Juli 2015 am sogenannten Bodenkurs im Grünen teilzunehmen, weil mich das Ganze doch sehr interessiert hat. Ich habe dafür nicht wenig Geld in die Hand genommen, aber ich habe schon ganz andere Summen für Maschinen falsch investiert. Deshalb ging ich das an und lernte so neben 30 neuen Berufskolleginnen und -kollegen auch Leute wie Dr. Ingrid Hörner,  Dietmar Näser, Friedrich Wenz oder Christine Jones (diese allerdings erst 2017) kennen.

So fuhr ich im September 2014 das erste Mal an den Chiemsee, wo der Kurs stattfand. 30 Bäuerinnen und Bauern – 25 Biobetriebe und 5 Konventionelle. Keinerlei Grabenkämpfe, weil alle das selbe Anliegen hatten: gesunden, fruchtbaren Boden. Was wir dort hörten, war eigentlich gar nicht so viel komplett Neues (zumindest zu Beginn), sondern eher ganz altes Wissen (das meiste von vor dem 2. Weltkrieg!). Und das geht seit der Industrialisierung der Landwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg mehr und mehr verloren bzw. vergessen. Und mit jedem Termin (insgesamt 5x 2 Tage) wuchs einerseits die Begeisterung für das Neue und andererseits der Frust, dass ich selbst so lange vieles von dem geglaubt habe, was uns zum Beispiel mit Werbung tagtäglich vorgesetzt wird von Seiten der Dünge- und Pflanzenschutzindustrie, wo auch ich irgendwann meinen Kopf ausgeschaltet habe und einfach nur noch “angewendet” habe, wenn es empfohlen wurde.

Heute sehe ich meinen Boden ganz anders an als zuvor. Und ich merke, wie Düngemaßnahmen mit Mineraldünger sich auf die Bodenbiologie auswirken, noch mehr aber, wie sich chemischer Pflanzenschutz auswirken kann! Ich möchte das nicht verteufeln! Aber ich sehe es jetzt mit anderen Augen. Früher machte ich Fungizidmaßnahmen im frühen Stadium der Pflanzen im Frühjahr, um sie von Anfang an gesund zu halten. Jede dieser Maßnahmen zerstört aber (nicht nur) die pilzliche Mikrobiologie im Boden, die auch für den Nährstoffaufschluss im Boden eine Symbiose mit den Wurzeln der Pflanzen eingeht (Stichwort Mykhorriza). Dies hat zur Folge, dass wir wieder Mineraldünger brauchen, weil der Pflanze im Boden der Partner fehlt, um sich das selbst holen zu können.